Wir sind gestresst, unruhig, sehnen uns nach Ruhe und Ausgeglichenheit. Für mehr Entspannung, einen klaren Kopf und vielleicht ein bisschen Erleuchtung wird immer wieder Meditation empfohlen. Ich habe die Yogalehrerin und Buchautorin Nicole Reese gefragt, was Meditation kann und wie ich damit am besten anfange.

Was ist Meditation überhaupt und was sie?

Meditation lässt sich am besten als Aufräumen im Kopf beschreiben. So wie wir mit einem Besen unser Zimmer ausfegen, so räumen wir durch Meditation unseren Kopf, unsere Gedanken auf. Alle Informationen, Eindrücke und Erlebnisse können besser sortiert werden, Überflüssiges wird weggefegt – unser Blick auf die Dinge und auf uns selbst wird durch regelmäßige Meditation klarer. Wir sehen besser, was uns ausmacht und was uns wichtig ist. Das merke ich vor allem dann, wenn ich aus dem Takt gerate, wenn das Leben mich gerade etwas wilder durchschüttelt und alles auf den Kopf gestellt wird. Beim Meditieren richte ich meine Aufmerksamkeit nach innen, nehme Abstand von den Dingen, Meinungen, Gedanken und Ideen, die mich umtreiben und umkreisen, und bin mehr im Augenblick zentriert. So kann ich klarer sehen, wo ich wirklich stehe und was mir wichtig ist.

Beim Meditieren versuchen wir, den ständigen Gedankenstrom in unserem Kopf zu bündeln und uns auf ein Objekt, zum Beispiel den Atem, zu konzentrieren. Meditieren bedeutet nicht, dass wir aufhören zu denken und unser Geist völlig still wird. Es geht vielmehr darum, unsere Gedanken anzuschauen, anstatt sofort auf sie zu reagieren und in der ewigen Gedankenschleife zu enden. Die Gedanken bewusster wahrzunehmen, nicht sofort in die Bewertung zu gehen, sondern neutral anzuschauen, was ist. Negative oder überholte Muster und Glaubenssätze können so leichter erkannt und im besten Fall zum Positiven verändert werden.

Meditation hat einen religiösen Ursprung und wird traditionell in vielen Kulturen und Religionen praktiziert. Ziel ist es, den Geist zu beruhigen und zur Erleuchtung zu gelangen. In den westlichen Ländern wird Meditation neben spirituellen Zielen zunehmend auch zum Wohlbefinden und zur Entspannung eingesetzt.

Gibt es Studien die zeigen, dass Yoga und Meditation Stress abbauen können?

Ja, zum Glück gibt es immer mehr Studien, die sich mit der Wirkung von Meditation beschäftigen. Ich kann hier vor allem das Buch des Neurowissenschaftlers Ulrich Ott „Meditation für Skeptiker“ empfehlen, in dem er nicht nur eine sehr gute Einführung in die verschiedenen Meditationsformen gibt und auf die einzelnen Wirkungen eingeht, sondern auch die aktuellen Forschungsergebnisse auflistet. Eine der grundlegenden Studien zur stressreduzierenden Wirkung von Yoga und Meditation stammt von der Neurowissenschaftlerin Sara Lazar von der Harvard University. In diesem TED Talk erklärt sie die Wirkungen der Mediation aufs Gehirn.

Meditation ist der absolute Stresskiller, unter anderem weil wir während der Meditation unseren Atem bewusster und langsamer fließen lassen und dadurch den Teil unseres vegetativen Nervensystems (Parasympathikus) aktivieren, der für unsere Entspannung zuständig ist. Meditation senkt auch den Cortisolspiegel im Körper, der bei Dauerstress ansteigt, und sorgt so für mehr Entspannung und Gelassenheit. Darüber hinaus aktiviert regelmäßige Meditation die graue Substanz im Hippocampus, die für unser Gedächtnis und unsere Konzentration zuständig ist, und wirkt sich positiv auf Bereiche des limbischen Systems aus, die für unser emotionales Gleichgewicht verantwortlich sind.

Was ist für Dich Yoga und Meditation?

Freiheit. Das ist ein großes Wort, aber ja: Die Freiheit, gelassen und selbstbewusst meinen Weg zu gehen, auch wenn er manchmal im Zickzack oder im Kreis verläuft. Mich nicht so stressen zu lassen, vom Tempo, von den Erwartungen anderer, aber auch von meinen eigenen. Das gelingt mal besser, mal schlechter. Yoga und Meditation sind auf jeden Fall gute Werkzeuge, die mir helfen, einen klareren Blick auf das Wesentliche zu behalten und mir nicht so schnell den Kopf vernebeln zu lassen.

Du brauchst nicht viel dafür – eine Yogamatte für die Asanas, evtl. noch eine Decke zum Sitzen, aber das war‘s auch schon.

Wie startet man am besten mit Meditation?

Einfach anfangen. Am besten mit einem qualifizierten Lehrer. Viele Yogastudios bieten inzwischen spezielle Kurse für geführte Meditationen und Pranayama (Atemtechniken) an. Es gibt viele verschiedene Arten zu meditieren: Atemmeditation, Gehmeditation, das Rezitieren eines Mantras (eines Konzentrationswortes) oder auch das stressreduzierende Achtsamkeitstraining nach Jon Kabat-Zinn, um nur einige zu nennen.

Wer zu Hause meditieren möchte, kann sofort damit beginnen. Ich persönlich bevorzuge den frühen Morgen, wenn noch alles ruhig ist, und den Abend vor dem Schlafengehen, aber eigentlich eignet sich jede Tageszeit zum Meditieren. Wichtig ist, dass man nicht gestört wird, also Computer, Telefon etc. unbedingt ausschalten. Am besten stellt man sich einen Timer: 3, 5 oder 10 Minuten sind für den Anfang ideal!

Und los geht’s: Aufrecht hinsetzen, am besten die Beine übereinander schlagen, eventuell eine gefaltete Decke unter das Gesäß legen. Wem das schwerfällt, kann sich auch vorne auf die Stuhlkante setzen, die Füße hüftbreit auf den Boden stellen, am besten nicht abstützen. Wichtig ist, dass die Wirbelsäule gerade ist und die Schultern locker bleiben. Das Kinn leicht zum Brustbein ziehen, um den Hals lang zu halten. Die Krone des Kopfes strebt nach oben, als würde man von einem Band am Scheitel nach oben gezogen. Schließe die Augen und atme sanft durch die Nase. Dabei Bauch und Gesicht entspannen, unnötige Bewegungen vermeiden (Haare richten, Füße bewegen etc.). Nun die Aufmerksamkeit auf den eigenen Atem richten: Wo spüre ich ihn? Im Bauch, im Brustkorb, unter den Nasenlöchern beim Ausatmen? Beobachte deinen Atem. Vielleicht kannst Du auch ein Mantra, ein Konzentrationswort, dazu nehmen: Denke beim Einatmen ‚EIN‘ und beim Ausatmen ‚AUS‘, dann haben es die Gedanken nicht so leicht, Dich abzulenken. Je aufrechter Du sitzen kannst, desto leichter kann der Geist zur Ruhe kommen. Wenn das Knie oder der untere Rücken schmerzen, ist es sehr schwer, die Konzentration zu halten. Spätestens dann kommen die Asanas, die Körperübungen im Yoga, ins Spiel, die den Körper kräftigen und dehnen, so dass Du problemlos längere Zeit meditieren kannst.

Für den Einstieg ins Yoga empfehle ich, einen Anfängerkurs oder Workshop zu besuchen oder zunächst einige Einzelstunden zu buchen, da so wichtige Ausrichtungsprinzipien der einzelnen Asanas (Yogaübungen) besser verinnerlicht werden können und auf individuelle Besonderheiten intensiver eingegangen werden kann. Am besten probierst du einige verschiedene Yogastile und Lehrer aus, um herauszufinden, was für dich am besten geeignet ist.

Hast Du Tipps für Neueinsteiger?

Langsam anfangen und nicht zu viel erwarten. Nicht gleich aufhören, wenn das Stillsitzen anfangs nicht klappt und die Gedanken im Kopf lauter werden als sonst. Dabei bleiben und schauen, was passiert. Am besten fängst du jeden Tag mit fünf Minuten an und steigst dann langsam die Zeit, aber lass dich nicht stressen, wenn du es mal nicht schaffst, sondern fang am nächsten Tag wieder an. Vielleicht fällt es dir leichter, zur Ruhe zu kommen, wenn du dich vorher bewegt hast oder gleich nach dem Aufstehen? Ich bin auch ein großer Fan von geführten Meditationen, gerade am Anfang ist das eine tolle Unterstützung. Viele Yogastudios bieten extra Meditationskurse oder spezielle Workshops an oder leiten vor oder nach den Yogastunden kurze Meditationen an. Oder du fragst Freunde, die schon Erfahrung mit Meditation haben, ob sie mit dir meditieren möchten.

Was ist Deine Lieblingsmeditation, wenn Du zur Ruhe kommen möchtest?

Ich meditiere am liebsten im Sitzen, in Stille, und beginne oft mit einer Art Body-Scan, bei dem ich meine Aufmerksamkeit auf bestimmte Körperteile richte: Wie fühlen sich meine Füße an? Sind sie warm, kalt…? Wie meine Beine? Mein Becken? Rücken, Schultern, Arme, Hände? Wenn ich mit meinem Körper fertig bin, konzentriere ich mich auf meinen Atem und schaue, was in meinem Kopf vor sich geht.

Meine ersten Meditationserfahrungen habe ich beim Kundalini Yoga gemacht. Dort werden Mantras und die Atmung oft bewusst in die Meditation integriert. Wenn mein Geist wild hin und her springt, praktiziere ich auch gerne die SA TA NA MA Meditation: Dabei singe ich das Mantra SA TA NA MA, wobei sich bei SA Daumen und Zeigefingerspitzen kurz berühren, bei TA Daumen und Mittelfinger, bei NA Daumen und Ringfinger, bei MA Daumen und kleiner Finger – und wieder von vorne. Übersetzt bezeichnet das Mantra den Kreislauf von Geburt, Leben, Tod und Wiedergeburt. Die ersten 2 Minuten singe ich laut, dann 2 Minuten leise, dann 2 Minuten still, dann wieder 2 Minuten still, dann wieder leise und zum Schluss wieder 2 Minuten laut. Da du dich auf den Klang und die Bewegung deiner Finger konzentrierst, hat dein Geist kaum eine Chance, dazwischen zu funken und dich abzulenken. Du kannst die Zeit auf 5 Minuten pro Schritt ausdehnen. Das Mantra eignet sich auch gut als Gehmeditation.

Nicole Reese:

Yoga

In meine erste Yogastunde geriet ich während meines Studiums – auf der Suche nach mehr Ruhe im Kopf. Die Idee ging auf, dazu gab es noch ein paar Extras wie Gelassenheit, Kraft, Energie und Beweglichkeit.
Anfangs probierte ich erst mal alle möglichen Stile aus, bevor ich nach einer Kundalini Yoga Ausbildung zum dynamischen Vinyasa Yoga fand und bei Lance Schuler in Byron Bay ein Teacher Training absolvierte, worauf die 500+ Ausbildung folgte. Yoga ist aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken, was mich immer wieder überrascht, herausfordert und glücklich macht. Für mich der beste Weg, um Herz und Kopf in Balance zu bringen. Nicole arbeitet als freie Autorin und Yogalehrerin in Hamburg. Sie ist Mitbegründerin des Yogastudios Yoga Elements und Autorin von Yoga Kitchen.

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